römische Grabkunst, Sarkophagreliefs und Mumienbildnisse: Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung

römische Grabkunst, Sarkophagreliefs und Mumienbildnisse: Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung
römische Grabkunst, Sarkophagreliefs und Mumienbildnisse: Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung
 
Die römische Grabkunst spiegelt in höchst direkter und eindrucksvoller Weise die Selbstdarstellungsabsichten der Angehörigen verschiedener sozialer Schichten wider. Besonders in der späten Republik wiesen die führenden Familien der römischen Städte durch sehr aufwendige und extravagante Grabbauten auf ihre Verdienste um die Allgemeinheit hin. Im 1. Jahrhundert v. Chr. ist daher das Spektrum an unterschiedlichen Grabmonumenten und -gebäuden besonders groß: Neben aufgeschütteten und von einer Mauer eingefassten, stattlichen Erdhügeln (tumuli) finden sich umfriedete Bezirke, hausähnliche Bauten, Altäre, Tische, Sitzbänke, die Ehrensitze im Theater imitieren, mehrstöckige, turmartige Gräber mit Bildnisstatuen der Verstorbenen, aber auch Säulen und Grabpyramiden. Durch die Größe der Monumente und ihre prominente Lage an einer Straße oder Wegegabelung versuchten sich die einflussreichen Familien gegenseitig zu übertreffen. Als besondere Auszeichnung gestattete eine Stadt einzelnen Mitbürgern, ihre Grabbauten auf öffentlichem Grund unmittelbar vor der Stadtmauer zu errichten. Der bildliche Schmuck der Aristokratengräber blieb jedoch relativ zurückhaltend. Oft verwiesen allein einige abstrakte Symbole und Amtsinsignien wie Rutenbündel (fasces), Szepter, Amtssessel, Waffen oder Sakralgeräte kürzelhaft auf den Senatoren- und Ritterstand oder ein öffentliches munizipales Amt.
 
Mit der Errichtung des Prinzipats durch Augustus (27 v. Chr.) reduzierte sich für die städtischen Eliten nach und nach der Spielraum ihres konkurrierenden Repräsentationsbedürfnisses. Die Grabbauten glichen sich in Größe und Ausstattungen stärker einer gesellschaftlich akzeptierten Norm an. Wesentlich selbstbewusster und plakativer setzte jetzt die durch Augustus aufgewertete Freigelassenenschicht, die im neu geschaffenen Amt des Priesters für den Kaiserkult erstmals ein gewisses gesellschaftliches Ansehen erwerben konnten, ihre Leistungen für die Gemeinschaft und die Grundlagen ihres Erfolges ins Bild um. Ihre detailfreudigen Grabreliefs zeigen sie als großzügige Stifter von Zirkus- und Gladiatorenspielen sowie den damit verbundenen feierlichen Prozessionen, als wohltätige Spender von Geld- und Sachmitteln oder aber als erfolgreiche Werkstattbesitzer und Bauunternehmer. Oft entsteht der Eindruck, als kompensierten sie durch diese prunkvollen Gräber die fehlende rechtliche Gleichstellung mit den alteingesessenen römischen Vollbürgern. Stolz präsentieren sich die Freigelassenen an ihren Grabfassaden den Passanten mit von den Anstrengungen des Erfolges gezeichneten Gesichtern, bekleidet mit dem römischen Bürgergewand, der Toga.
 
Seit der frühen Kaiserzeit sind neben den aufgehenden Grabbauten auch unterirdische Grabanlagen mit zahllosen in die Wände eingelassenen Nischen für Urnen gebräuchlich, die - wegen ihrer Ähnlichkeit mit den gleichnamigen Taubenschlägen - Columbaria genannt werden. Sie dienten als Bestattungsort vor allem für die Freigelassenen und Sklaven des Kaiserhauses und für Angehörige von Bestattungsvereinen und Berufskollegien, die sich ebenfalls aus dieser Schicht rekrutierten. Weitläufige Katakomben als reguläre Grabstätten für jedermann kamen erst im 3. Jahrhundert n. Chr. auf und haben sich besonders im frühchristlichen Rom erhalten.
 
Fast im ganzen römischen Reich ließ sich ab dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. ein einschneidender Wechsel der Bestattungssitten von der Einäscherung zur Ganzkörperbestattung verzeichnen, ein Phänomen, das die Forschung auch heute noch nicht plausibel erklären kann. An die Stelle der reliefverzierten Grabaltäre, der Bildnisstatuen, Grabstelen und dekorierten Aschenurnen traten jetzt mit reichem Bilderschmuck versehene Steinsarkophage, die im Inneren von Grabkammern aufgestellt waren. Die Botschaft ihrer Bilder richtete sich also nicht mehr an ein breites Publikum, sondern vorrangig an den intimen Kreis der eigenen Familienangehörigen.
 
Die mythologischen Themen der Sarkophagreliefs hatten in der Regel nur einen sehr allgemeinen Bezug zu dem Verstorbenen und seinen rühmenswerten Eigenschaften. Die kunstvollen Bilder konnten als allegorische Hinweise auf die Tapferkeit, Schönheit oder Gattenliebe des Toten oder auf die Grausamkeit seines allzu frühen Todes verstanden werden. Teilweise diente der mythische Vergleich der Grabinhaber mit griechischen Heroen und Heroinen wie beispielsweise Achill, Orest, Endymion, Herakles, Meleagros, Hippolytos, Prometheus, Medea, Alkestis oder Penthesilea auch der Zurschaustellung der eigenen Bildung - die Kenntnis griechischer Mythologie wurde in dieser Zeit zum Wert an sich. Fantasievolle Szenen, die vom Weingott Dionysos und seinen Begleitern oder von verspielten Meereswesen wie den Nereiden und Tritonen bevölkert werden, können als Bilder einer sehr diesseitigen, sinnenfrohen Lebensfreude gedeutet werden. Eindeutige Anspielungen auf die Unterwelt oder auf ein jenseitiges Leben sind dagegen eher die Ausnahme.
 
Die rund um das ganze Mittelmeer verbreitete römische Kultur veränderte auch die traditionellen ägyptischen Bestattungssitten: Zwar wurde die Mumifizierung des Leichnams auch in der Kaiserzeit beibehalten, doch ging man seit dem beginnenden 1. Jahrhundert n. Chr. dazu über, die Verstorbenen - ähnlich wie im römischen Westen - in ihrer Individualität erkennbar zu machen. Vor allem in der ägyptischen Oase Faijum haben sich zahlreiche Holzplatten mit Porträtdarstellungen der Toten erhalten. Sie wurden anstelle von Totenmasken über dem Gesicht mit Mumienbinden befestigt und verewigten in frischen Tempera- oder Wachsfarben die Verstorbenen mit ihren zeitgenössischen Modefrisuren.
 
Dr. Johanna Fabricius
 
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.
 Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.

Universal-Lexikon. 2012.

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